Wie so oft hat mich eine Begebenheit aus meinem Arbeitsalltag zu diesem Beitrag inspiriert. Denn kürzlich bekam ich eine äußerst spannende Rückmeldung zu einem meiner Texte. Aber fangen wir von vorne an.

Ein großer Teil meiner Arbeit besteht daraus, Interviews mit Fachexperten zu führen, die als inhaltliche Grundlage für meine Texte dienen. Meistens finden die Gespräche virtuell per Videokonferenz oder telefonisch statt. Nach einem kurzen Kennenlernen stelle ich also gezielt Fragen und lausche gespannt der Gedanken meiner Gesprächspartner. Auf Basis dieser Antworten entsteht schließlich ein Textentwurf, der in der Regel von meinem Interviewpartner gegengelesen und freigegeben wird. Gerade bei komplexeren Themen ein entscheidender Faktor für die Glaubwürdigkeit und Richtigkeit des Textes. Schließlich bin auch ich meist Laie in den jeweiligen Fachbereichen und übersetze Fachsprache in einen simpleren, greifbaren Kontext. Genau dieser Blick von außen ist enorm wichtig, um Themen aus ihrem Sumpf der Fachbegriffe zu befreien.

 

Sie sprechen so wenig

Nach einem sehr angenehmen und produktiven Termin schickte ich also vor einiger Zeit einen Textentwurf ab und erwartete gespannt die Rückmeldung meines Interviewpartners, die auch noch am selben Tag eintraf:

„Vielen Dank für diesen tollen Text! Sie haben während des Termins so wenig gesprochen. Trotzdem haben Sie mich wahnsinnig gut verstanden und genau das, was ich gemeint habe in professionelle Sprache übersetzt.“

Das war ja mal interessant. Warum erwähnt mein Interviewpartner, dass ich im Termin wenig gesprochen habe? Sollte man etwa viel reden, um zu verstehen? Höchste Zeit, mich mit dem Thema genauer zu beschäftigen.

 

Wo ist der Mund?

Um Menschen kennen und verstehen zu können muss man vor allem eines: zuhören. Als ich schließlich ein bisschen zum Thema recherchierte, stieß ich auf das chinesische Schriftzeichen für Zuhören. Es besteht aus verschiedenen zusammengefügten Elementen: Augen, Ohren, Herz und König. Zusätzlich symbolisiert die Zahl 1 die Verbindung aller Einheiten. Was also zählt, ist gleichzeitig mit allen Sinnen, ungeteilter Aufmerksamkeit und Empathie zuzuhören. Das fand ich richtig spannend. Denn den Mund als Zeichen für das eigene Sprechen habe ich vergeblich gesucht.

 

Ohne gehts auch nicht

Natürlich muss auch ich sprechen. Nur so kann ich im Interview Impulse geben und die Quintessenz des jeweiligen Themas aus dem Gegenüber herauskitzeln. Doch auch im gezielten Schweigen liegt Kraft. Sein Gegenüber nicht sofort mit der nächsten Frage zu bombardieren kann den Gedankenfluss anregen. Aufschlussreich ist auch, was man zwischen den Zeilen lesen kann, welche Formulierung gewählt wird und wie sich die Stimmlage im Laufe des Gesprächs verändert. Während des Gesprächs zu 100 % bei meinem Interviewpartner zu sein ist deshalb die Basis für einen guten Text… 

 

…und das ist anstrengend

Ja, zuhören ist anstrengend. Es ist kein passiver Prozess, kein sich berieseln lassen. Es braucht viel Einfühlungsvermögen und Vertrauen, Aufmerksamkeit und Offenheit. Kein Wunder also, dass ich nach Interviews oft müde bin. Es prasseln wahnsinnig viele Eindrücke und Informationen auf mich ein, die ich in kürzester Zeit sortieren, gedanklich strukturieren und einordnen muss. Aber ganz ehrlich: Genau das ist das Spannende an meiner Arbeit, das dem Ganzen erst die richtige Würze verleiht. Auch ohne viele gesprochene Worte.

 

Pfadfinder gesucht?

Haben auch Sie ein Thema, das seinen Weg aus dem Fachbegriffe-Sumpf finden soll? Starten wir gemeinsam durch. Ich freue mich darauf.

Fragen, Anliegen, Ideen? Reden wir d'rüber.

Ich freue mich, von Ihnen zu hören.

 

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